Grundsatz der Nachahmungsfreiheit
Die Wettbewerbsfreiheit stellt ein hohes Gut im deutschen Recht dar. Ausfluss dieser Wettbewerbsfreiheit ist der Grundsatz der Nachahmungsfreiheit, wonach Produkte oder auch Ideen mit dem Ziel des technischen Fortschritts nachgeahmt werden können. Aus einem ähnlichen Grund besteht ein Patentschutz bspw. auch nur für einen Zeitraum von 20 Jahren ab dem Tag der Patentanmeldung. Im Sinne eines technischen und wissenschaftlichen Fortschritts sollen die patentierten Errungenschaften nach dem Ablauf des Patentschutzes der Allgemeinheit zur Verfügung stehen, so dass Weiterentwicklungen fußend auf dem ehemaligen Patent möglich sind.
Ähnlich verhält es sich bei Nachbildungen. Diese sind demnach grundsätzlich erlaubt, erfahren jedoch ihre Grenzen in den Gesetzen zum Schutz des geistigen Eigentums und dem Wettbewerbsrecht. Die Rechtsprechung hat stets hervorgehoben, dass eine Nachahmung von Produkten, die nicht durch Design-, Urheber-, Patent- oder Markenrecht geschützt sind, auch nicht wettbewerbsrechtlich angegriffen werden kann, es sei denn, dass besondere unlauterkeitsbegründende Umstände hinzutreten. Weiterhin kann auch die Schutzdauer eines Patents nicht durch den wettbewerbsrechtlichen Nachahmungsschutz zeitlich ausgedehnt werden, sofern nicht besondere Unlauterkeitsmerkmale hinzutreten.
Wettbewerbliche Eigenart
Eine wesentliche Voraussetzung für den wettbewerbsrechtlichen Schutz ist die wettbewerbliche Eigenart des nachgeahmten Produkts. Eine solche wettbewerbliche Eigenart wird einem Produkt zugemessen, wenn seine konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen. Das bedeutet, dass der Verkehr den Hersteller zwar nicht namentlich kennen muss; er muss jedoch aufgrund der konkreten Ausgestaltung des Produkts oder seiner Merkmale annehmen, dass dieses Produkt von einem bestimmten Hersteller stammt. Dabei muss sich die wettbewerbliche Eigenart gerade aus den übernommenen Gestaltungsmerkmalen des Erzeugnisses ergeben.
Eine solche wettbewerbliche Eigenart kann sich aus bestimmten technischen oder designbedingten Merkmalen ergeben, sofern diese eine gewisse Individualisierung begründen. Keine wettbewerbliche Eigenart liegt vor, wenn die entsprechenden Gestaltungsmerkmale von einer Vielzahl von Mitbewerben identisch oder ähnlich verwendet werden. Zur Beurteilung der wettbewerblichen Eigenart müssen also stets die im Markt befindlichen Produkte verglichen werden. Wettbewerbliche Eigenart kann auch dann vorliegen, wenn ein Hersteller mehrere Produkte in seinem Programm hat, die allesamt entsprechende charakteristische Eigenschaften aufweisen, wenn der relevante Abnehmerkreis die Produkte anhand dieser Eigenschaften als von dem betreffenden Hersteller stammend identifizieren kann.
Die wettbewerbliche Eigenart kann auch nachträglich wieder entfallen, wenn Gestaltungsmerkmale von zahlreichen Mitbewerbern übernommen werden und diese vom Verkehr dann als üblich angesehen werden. Eine solche Verwässerung führt dann zum Wegfall der wettbewerblichen Eigenart, wenn der relevante Verkehr nicht mehr zwischen Original und Nachahmung unterscheiden kann.
Vermeidbare Herkunftstäuschung
Eine Nachahmung ist gem. § 4 Nr. 3a UWG unlauter, wenn sie zu einer vermeidbaren Herkunftstäuschung führt. Maßstab für die Beurteilung ist die Frage, ob zum Zeitpunkt der Kaufentscheidung die Gefahr droht, dass ein potentieller Käufer einer Täuschung über die Herkunft des Produkts erliegen kann.
Voraussetzung für ein Vorliegen dieser Gefahr ist, dass das nachgeahmte Erzeugnis über eine gewisse Bekanntheit verfügt. Dabei muss der relevante Abnehmerkreis das Erzeugnis nicht einem bestimmten Hersteller namentlich zuordnen können; es reicht aus, wenn der relevante Abnehmerkreis das Erzeugnis einem bestimmten Hersteller zuordnen kann, es sich also nicht um ein Produkt handelt, das so von einer Vielzahl von Herstellern angeboten wird.
An das Vorliegen dieser Bekanntheit sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen, der Nachweis ist vom Originalhersteller zu führen.
Eine unmittelbare Herkunftstäuschung liegt vor, wenn der relevante Abnehmerkreis aufgrund der Gesamtgestaltung des Erzeugnisses annimmt, dass dieses auch von demselben Hersteller stammt. Bei einer identischen Übernahme wird dies regelmäßig zu bejahen sein. Werden die Gestaltungsmerkmale des Erzeugnisses abgewandelt, ist zu überprüfen, ob diese Abwandlung aus der Sicht des angesprochenen Abnehmerkreises relevant oder eher geringfügig ist. Hierbei ist auch auf die Vermarktungssituation abzustellen. Handelt es sich bspw. um Massenware, die von ihren Eigenschaften und ihrer Qualität grundsätzlich austauschbar ist, wird es nicht unwesentlich auch auf die Gestaltung der Verpackung ankommen, da der Abnehmer seine Kaufentscheidung meist nach flüchtiger Wahrnehmung trifft. Handelt es sich hingegen um komplexe elektronische Geräte oder Designerstücke, wird der relevante Abnehmerkreis eine genauere Prüfung durchführen.
Diese Punkte sind also bei der Bewertung einer Herkunftstäuschung abzuwägen bevor beurteilt werden kann, ob es sich um eine erlaubte oder unlautere Nachahmung handelt.
Schließlich ist eine Herkunftstäuschung nur dann unlauter, wenn diese vermeidbar ist, also mit zumutbaren Mitteln hätte verhindert werden können. Vermeidbar ist eine Herkunftstäuschung, wenn diese durch eine abweichende Gestaltung von dem Originalprodukt von diesem abgegrenzt werden könnte. Hierbei ist immer zu prüfen, wie weit der entsprechende Gestaltungsspielraum reicht. Bei technischen Erzeugnissen kann der Gestaltungsspielraum eingeschränkt sein (z.B. ein Lampensockel oder in gewisser Weise auch die Form eines Retrofit-LED-Leuchtmittels). Bei Designerzeugnissen kann der Gestaltungsspielraum auch durch gewisse Designtrends eingeschränkt sein. Schließlich kann auch das Anbringen gewisser prominenter Herkunftsbezeichnungen dazu führen, dass keine Herkunftstäuschung vorliegt. Aber auch hier ist stets darauf abzustellen, wie gut erkennbar die Herkunftsbezeichnung ist und ob diese für die Gesamtgestaltung derart relevant ist, um eine Herkunftstäuschung zu vermeiden.
Rufausnutzung oder Rufbeeinträchtigung
Weiterhin handelt gem. § 4 Nr. 3b UWG unlauter, der die Wertschätzung der nachgeahmten Ware unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt. Voraussetzung ist hier, dass das Originalprodukt eine gewisse Wertschätzung genießt, der Verkehr damit also eine gewisse Qualität oder ein besonderes Image verbindet. Eine unlautere Rufausbeutung liegt dann vor, wenn der Nachahmer einen Imagetransfer vom Original auf das nachgeahmte Produkt provoziert. Nicht ausreichend ist lediglich der Versuch, durch Anlehnung an das Original eine gewisse Aufmerksamkeit zu erregen.
Eine unlautere Rufbeeinträchtigung liegt vor, wenn durch das nachgeahmte Produkt eine Schädigung des Images oder Rufs des Originals entsteht. Diese Fallgruppe ist insbesondere bei Erzeugnissen relevant, die einen hohen Qualitäts- oder Sicherheitsstandard aufweisen. Erfüllt das nachgeahmte Produkt diese Standards nicht, besteht die Gefahr der Rufbeeinträchtigung des Originalprodukts.
Behinderungsabsicht
Ein unlauteres Nachahmen in Behinderungsabsicht kommt dann in Betracht, wenn der Originalhersteller durch die Nachahmung in seiner Vermarktung behindert wird. Dies kommt in Betracht, wenn unmittelbar nach Markteinführung des Originals der Markt mit günstigeren Nachahmungsprodukten überschwemmt wird, so dass für einen Kauf des Originalprodukts kein Bedarf mehr besteht.
Ansprüche des Verletzten
Wettbewerbliche Ansprüche wegen unlauterer Nachahmung können – wie stets im Wettbewerbsrecht – grundsätzlich nur von Mitbewerbern geltend gemacht werden. Dem Verletzten stehen insoweit Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche zu, die mit Abmahnung, Einstweiliger Verfügung und Unterlassungsklage geltend gemacht und durchgesetzt werden können. Hierzu kann es im Einzelfall geboten sein, auch einen Besichtigungsanspruch durchzusetzen. Weiterhin stehen dem Verletzten Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche zu. Anhand der Auskunftserteilung kann der Verletzte dann einen Schadensersatz berechnen, den er gegenüber dem Verletzer durchsetzen kann. Zu dem Schadensersatz gehören dann auch – wie stets – die Kosten der Rechtsverfolgung. Der Schadensersatz berechnet sich nach Wahl des Verletzten entweder durch Ersatz des entgangenen Gewinns, Herausgabe des Verletzergewinns oder durch die Zahlung einer angemessenen (fiktiven) Lizenzgebühr.
Was können wir als Anwalt für Wettbewerbsrecht für Sie tun?
Gerne führen wir für Sie eine Beurteilung durch, ob Ihr Konkurrent ihre Produkte unlauter nachahmt oder nicht. Sollte eine Verletzung vorliegen, spielen wir die gesamte Klaviatur des Wettbewerbsrechts und verhelfen Ihnen zu ihrem Recht. Gleiches gilt selbstverständlich, wenn ihnen eine unlautere Nachahmung vorgeworfen wird.