Hintergrund des Falls des BVerwG
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, das Edelmetallreste von Zahnarztpraxen ankauft. Zu Akquisezwecken hatte sie aus öffentlichen Quellen wie den „Gelben Seiten“ Namen, Telefonnummern und Adressen von Zahnarztpraxen erhoben und in einer Datenbank gespeichert. Diese Daten wurden anschließend für unaufgeforderte Werbeanrufe genutzt, bei denen die Klägerin ihr Geschäftsmodell erklärte und potenzielle Geschäftsbeziehungen anbahnen wollte.
Bereits im Jahr 2017 hatte die zuständige Datenschutzbehörde diese Praxis untersagt. Die Klägerin dürfe personenbezogene Daten nur dann erheben und nutzen, wenn eine ausdrückliche Einwilligung vorliege oder ein bestehendes Geschäftsverhältnis gegeben sei. Außerdem wurde die Löschung der gesammelten Daten angeordnet. Nach Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) im Mai 2018 beantragte das Unternehmen die Aufhebung der Untersagung mit Verweis auf die neue Rechtslage – ohne Erfolg.
Die rechtliche Bewertung des BVerwG
Das BVerwG bestätigt in seinem Urteil die Auffassung der Vorinstanzen und stellt klar, dass die DSGVO keine grundlegende Änderung der Rechtslage zugunsten der Klägerin bewirkt hat. Zwar sei Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO – das berechtigte Interesse – grundsätzlich eine mögliche Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung. Entscheidend sei jedoch, dass die Verarbeitung verhältnismäßig ist und keine überwiegenden Interessen der betroffenen Personen entgegenstehen.
In diesem Zusammenhang sind laut Gericht auch die Wertungen des § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG zu berücksichtigen. Diese Vorschrift verbietet Telefonwerbung gegenüber Verbrauchern ohne deren ausdrückliche Einwilligung und dient zugleich der Umsetzung von Art. 13 der Richtlinie 2002/58/EG. Sie ist laut BVerwG bei der datenschutzrechtlichen Interessenabwägung mit einzubeziehen, weil die Nutzung personenbezogener Daten für unzulässige Werbung ein einheitlicher Lebenssachverhalt ist.
Keine mutmaßliche Einwilligung bei Zahnarztpraxen
Ein weiteres zentrales Argument des Gerichts: Selbst wenn die Werbung auf die berufliche Tätigkeit der Zahnärzte abziele, könne nicht von einer mutmaßlichen Einwilligung ausgegangen werden. Denn der Ankauf von Edelmetallresten stelle keinen typischen Bestandteil der zahnärztlichen Tätigkeit dar. Zudem sei die Veröffentlichung von Telefonnummern in Branchenverzeichnissen allein kein Hinweis darauf, dass eine telefonische Ansprache zu Werbezwecken gewünscht sei – diese diene in erster Linie der Erreichbarkeit durch Patienten.
Bedeutung für Unternehmen und die Praxis
Das Urteil ist ein klares Signal an Unternehmen, die auf Kaltakquise per Telefon setzen: Auch im beruflichen Kontext gelten hohe datenschutzrechtliche Hürden. Die DSGVO ermöglicht keine generelle Rechtfertigung durch wirtschaftliche Interessen. Vielmehr ist stets eine Einwilligung erforderlich –-andernfalls drohen Untersagungsverfügungen der Aufsichtsbehörden.
Zudem stärkt das Urteil die Rolle der Datenschutzbehörden. Ihnen kommt bei Verstößen regelmäßig eine Verpflichtung zur Abhilfe zu, insbesondere wenn – wie hier – keine alternative rechtmäßige Ausgestaltung der Datenverarbeitung ersichtlich ist. Das Verwaltungsgericht stellte zudem klar, dass ein Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens nur dann gerechtfertigt ist, wenn sich die Rechtslage nicht nur formell, sondern auch materiell zugunsten des Antragstellers geändert hat.
Fazit zu Telefonwerbung und Datennschutz
Mit diesem Urteil hat das Bundesverwaltungsgericht klargestellt, dass Unternehmen auch unter der DSGVO keine personenbezogenen Daten ohne ausdrückliche Einwilligung für Telefonwerbung verarbeiten dürfen – selbst wenn diese öffentlich zugänglich sind. Die Interessen der Betroffenen und der Schutz ihrer Privatsphäre überwiegen regelmäßig. Für Unternehmen bedeutet das: Kaltakquise per Telefon bleibt ein rechtliches Risiko – vor allem dann, wenn keine explizite Einwilligung vorliegt. Eine datenschutzkonforme Werbestrategie setzt sorgfältige Prüfung und rechtskonforme Gestaltung der Datenverarbeitung voraus. Verstöße gegen die Vorschriften zur Telefonwerbung können datenschutzrechtliche und wettbewerbsrechtliche Probleme nach sich ziehen. Lassen Sie sich von unseren Spezialisten beraten: